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Man hofft, dass man es nie braucht und trägt es trotzdem immer mit sich herum: Das Erste-Hilfe-Set. Aber was muss ins Notfallset eigentlich alles rein? Was Du beim Wandern und Trekken immer in Deiner Rucksackapotheke dabei haben solltest, hat Dir Basti Fiedler, Arzt und Bergsportler, hier zusammengestellt.
Erste-Hilfe-Set fürs Wandern: Was muss rein?
Die absolute Grundausrüstung für die Rucksackapotheke besteht in der Regel aus folgenden Gegenständen, die in den allermeisten Erste-Hilfe-Sets auch in dieser oder ähnlicher Form enthalten sind:
- ein Verbandpäckchen (mit nichthaftenden Kompressen)
- ein Wundpflaster, groß
- Pflastersortiment (mehrere kleine Pflaster unterschiedlicher Größe)
- Blasenpflaster
- eine Wundkompresse 10×10 cm
- zwei sterile Wundverbände 10×6 cm
- ein Dreiecktuch
- eine Rolle Leukoplast/Tape
- Alkohol-/Desinfektionstupfer, steril
- Verbandschere, Pinzette (evtl. als kombinierte Zecken-Pinzette)
- Einmalhandschuhe
- Rettungsdecke
- Signalpfeife
Je nach Dauer Deiner Tour, solltest Du zu einem normalen Erste-Hilfe-Set greifen oder dieses für für Dein individuelles Notfallset entsprechend erweitern.
Rucksackapotheke für längere Touren
Ist man mit einer größeren Gruppe oder länger unterwegs (zum Beispiel mit Alpenvereinstouren, beim Wildnis-Trekking, auf Bergexpeditionen oder auch beim Backpacking) nimmt man üblicherweise ein etwas umfassenderes Erste-Hilfe-Set mit. Dieses enthält neben den oben genannten Gegenständen – diesmal in mehrfacher Ausführung – noch zusätzliche Hilfsmittel die bei einem Notfall in abgeschiedenem Gelände sinnvoll sind. Beispielsweise:
- eine sogenannte Alu-Polsterschiene, mit der man mögliche Verletzungen schienen kann.
- selbsthaftende Verbände/Fixierbinde (bieten eine gute Fixierung zur notfallmäßigen Stabilisierung).
- Werkzeug zum Entfernen von Zecken.
Medikamente, die nicht fehlen sollten
Neben der Notfallausrüstung sollten einige Grundmedikamente in der Rucksackapotheke vorhanden sein – gerade wenn man auf längeren Touren oder auf Reisen unterwegs ist. Diese Medikamente sollten vorab und – speziell bei Grunderkrankungen – mit dem Hausarzt oder dem Apotheker besprochen werden, um mögliche Nebenwirkungen oder Kontraindikationen abzuklären.
- Schmerzmittel: Paracetamol oder Ibuprofen in Tablettenform
- Verletzungssalbe: z.B. Diclofenac-Salbe (bietet auch Kühlung bei Umknicken)
- bei Allergieneigung: Antihistaminika oder andere eigene bekannte Medikamente
- bei wunden Stellen: z.B. Bepanthensalbe oder Vaseline
- Mittel gegen Übelkeit
- Durchfallmittel
- je nach Reiseziel: Breitbandantibiotikum
- je nach Reiseziel: Malariaprophylaxe
- je nach Reiseziel: Impfungen frühzeitig abklären
- beim Höhenbergsteigen: spezifische Medikation gegen Höhenkrankheit
Welches Schmerzmittel kommt in die Rucksackapotheke?
Ganz klar: Das Schmerzmittel, das man kennt und verträgt. Es bringt nichts, Schmerzmittel dabei zu haben, mit deren Wirkung und Nebenwirkung man nicht vertraut ist. Nichts wäre unterwegs schlimmer, als durch eine Medikamenteneinnahme die Situation nochmal zu verschlechtern und eine allergische Reaktion oder andere Nebenwirkungen zu provozieren. Für die richtige Dosierung ist die jeweilige Medikamentenbeschreibung zu beachten.
Breit wirksame Schmerzmittel
Am Berg macht es bei Schmerzen Sinn, ein relativ breit wirksames Schmerzmittel einzunehmen, das (zumindest bei kurzfristiger Einnahme) nebenwirkungsarm ist. Hier kommen Präparate wie Paracetamol oder Ibuprofen zum Einsatz. Sie helfen gut gegen Schmerzen am Bewegungsapparat (Überlastung, kleinere Unfälle), aber auch bei Kopfschmerzen. Ein großer Vorteil: Sie wirken sich in der Regel nicht auf das zentrale Nervensystem aus – Nebenwirkungen wie Schwindel oder Müdigkeit sind sehr selten.
Vom häufig eingenommenen Aspirin würde ich als Notfallmedikament am Berg bei Schmerzen eher abraten. Die schmerzstillende Wirkung ist eher gering, dafür hat man als Nebenwirkung unter Umständen ein erhöhtes Blutungsrisiko.
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Ibuprofen oder Paracetamol sind breit wirksame Schmerzmittel, die bei kleineren Unfällen am Berg oder Überlastung Soforthilfe leisten können.
Stärkere Schmerzmittel (zum Beispiel aus der Opiat-Familie) sollten ohne ärztliche Betreuung nicht eingenommen werden, da sie teils starke Nebenwirkungen verursachen können. Insbesondere die Wachheit, aber auch Orientierung, Entscheidungsfindung oder Wahrnehmung können eingeschränkt sein. Das Risiko (zum Beispiel für einen Absturz) ist insbesondere bei nicht korrekter Einnahme hoch. Eine Einnahme sollte daher nur im äußersten Notfall unter entsprechender ärztlicher Betreuung und Planung des weiteren Vorgehens (ist ein Abstieg dann noch möglich?) erfolgen.
Mittel gegen Bauchschmerzen
Bei längeren Trekkingtouren macht es Sinn, auch ein Medikament gegen Bauchschmerzen dabei zu haben. Hier gibt es beispielsweise Buscopan, das gut gegen Bauchkrämpfe helfen kann. Auch Novalgin wirkt bei Bauchschmerzen sehr gut. Die beiden Medikamente sind jedoch bereits etwas nebenwirkungsreicher und teils verschreibungspflichtig.
Fazit zu Medikamenten am Berg
Ganz allgemein gilt: Kein falscher Ehrgeiz – wer krank ist, steigt ins Tal ab! Sicherheit geht am Berg vor: Ein paar Medikamente aus dem Rucksack können die Ursache der gesundheitlichen Probleme nicht beheben.
Der Hausarzt kann bei der Zusammenstellung einer individuellen Rucksackapotheke unter Berücksichtigung der eigenen Vorerkrankungen/Allergien helfen. Einige der genannten Medikamentengruppen sind zudem verschreibungspflichtig. Gerade bei Vor- oder Grunderkrankungen empfehle ich eine Abstimmung mit dem Hausarzt, welche Medikamente gefahrlos eingenommen werden können.
Das Wichtigste zum Schluss: Grundregeln der Ersten Hilfe
Das beste Erste-Hilfe-Set im Rucksack hilft nichts, wenn man nichts damit anzufangen weiß. Die Theorie aus dem Internet ist schön und gut – helfen kann aber nur ein aktiver Erste-Hilfe-Kurs, beispielsweise über das Deutsche Rote Kreuz. So ein Kurs kostet wirklich kaum etwas und kann im Zweifel Leben retten – in den Bergen genauso wie im Alltag.
Wie gut kennst Du Dich mit Erster Hilfe aus?
Hier eine Checkliste zu den neun wichtigsten Regeln, die Du kennen solltest:
- Unbedingt helfen: Ethisch und auch rechtlich ist man zur Ersten Hilfe verpflichtet. Wirkliche Fehler kann man kaum machen – hier greift das Zitat: „Der größte Fehler ist der, nicht zu helfen“.
- Eigenschutz: Auch wenn man schnellstmöglich helfen möchte, sollte man auf den Eigenschutz achten. Gerade in den Bergen lauern viele Gefahren wie möglicher Steinschlag, Lawinen, Absturzgefahr etc.!
- Unfallstelle absichern: In den Bergen weniger ein Problem als im Alltag – dennoch sollte man auch bei einem Unfall beim Bergsteigen oder Trekking versuchen, mögliche Gefahren zu minimieren und beispielsweise den Verletzten, wenn möglich, aus einem Steinschlagareal in ein geschütztes Eck zu transportieren – zumindest wenn dies zeitlich tolerabel ist.
- Notruf absetzen: Zeitnah einen Notruf absetzen – in den Bergen wird es dann schwierig, wenn man am Rettungsort keinen Empfang hat. Hier gilt es abzuwägen, ob man den Verunfallten alleine lassen kann, um an der nächsten Hütte Hilfe zu holen oder ob man besser am Unfallort bleibt und von dort versucht, auf sich aufmerksam zu machen – beispielsweise via Signalpfeife. Generell sollte man ein Unfallopfer nur im absoluten Notfall alleine lassen. Die internationale Rufnummer ist 112. Das alpine Notsignal geht wie folgt: Eine Minute lang alle zehn Sekunden ein Signal – eine Minute Pause – eine Minute lang alle zehn Sekunden ein Signal. Das alpine Antwortsignal geht wie folgt: Eine Minute lang alle zwanzig Sekunden ein Signal – eine Minute Pause – usw.
- Wiederbelebung: Sollte eine Wiederbelebung nötig sein, sind folgende Schritte zu beachten: Atmung kontrollieren – evtl. Atemwege freimachen – wenn keine Atmung vorhanden ist: schnell mit der Herz-Lungen-Massage beginnen. Hier gilt aktuell die Empfehlung von 30:2, sprich auf 30 Kompressionen des Brustkorbes kommen zwei Beatmungsversuche über Mund oder Nase (für diese nicht zu lange pausieren). Wichtig ist es, tief genug zu drücken, um eine ausreichende Kompression des Herzens zu bewirken. Im Zweifel lieber zu früh anfangen und zu tief drücken.
- Wundversorgung: Hier bietet es sich an logisch vorzugehen – von schlimm nach weniger schlimm – und auf Eigenschutz zu achten (Handschuhe!).
- Schock lindern: Zeigt das Unfallopfer Anzeichen eines Schocks (Blässe, Zittern, Schwitzen), müssen die Beine hochgelagert werden, um die inneren Organe und das Gehirn ausreichend mit Blut zu versorgen.
- Wärme spenden: In den Bergen kühlt man schnell aus – daher ist frühzeitig auf ausreichenden Wärmeschutz durch die Wärmedecke oder Jacken etc. zu achten.
Achtung: Lawinenopfer dürfen nicht schlagartig aufgewärmt werden und nicht zu ruckartig bewegt werden, sonst besteht die Gefahr eines sogenannten Bergungstodes. Hierbei strömt dann das eiskalte Blut aus den Händen und Beinen ins Zentrum und schädigt dort lebenswichtige Organe. - Moralische Unterstützung: Beruhigung ist ein wichtiger Teil der Ersten Hilfe. Daher gilt es, dem Unfallopfer zu zeigen, dass man bei ihm ist und ihm hilft oder bereits Hilfe unterwegs ist.